Forscher nutzen Elektronenstrahllithographie zur Herstellung von Metastrukturen auf großen Flächen und erzielen damit neuen Rekord

Dünne Metaoberflächen statt dicker Linsen

Jena /

Bye bye, Linse. Hallo Metaoberfläche! Sogenannte Metaoberflächen können dazu beitragen, optische Systeme künftig dünner zu bauen – bei gleichzeitiger Erhöhung der Funktionalität. Das Problem: Herkömmliche Verfahren zur Herstellung konnten bisher oft nur kleine Metaoberflächen, häufig kleiner als ein Quadratmillimeter realisieren. Forschenden des Fraunhofer IOF ist es nun erstmals gelungen, mithilfe der Elektronenstrahllithografie eine Metaoberfläche mit einem Durchmesser von fast 30 Zentimetern herzustellen – ein Weltrekord. Ihre Methode haben die Wissenschaftler jetzt im »Journal of Micro/Nanopatterning, Materials, and Metrology« veröffentlicht. Weiterhin wird die neuartige Metastruktur vom 27. bis 30. Juni auf der LASER World of Photonics in München erstmals öffentlich ausgestellt werden.

»Nach 500 Jahren Linsen und Spiegeln ist es an der Zeit weiterzudenken«, erklärt Dr. Falk Eilenberger, Leiter der Abteilung für Mikro- und Nanostrukturierte Optiken am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF. Eine Alternative können hier sogenannte Metaoberflächen sein. Dabei handelt es sich um Bauteile, die ihre komplette optische Funktion in einer Oberfläche konzentrieren und diese Funktion in der Oberfläche durch Nanostrukturen erreichen. Eilenberger erklärt den Unterschied zur klassischen Linse folgendermaßen: »In Linsen ist die Funktion durch die makroskopische Geometrie definiert. Deswegen ist die Linse auch dick und krumm. Nun haben wir stattdessen eine Metaoberfläche. Die ist dünn und auf Größenordnungen kleiner als die Wellenlänge des Lichtes strukturiert.«

In Wissenschaft und Forschung kommen Metaoberflächen schon länger zum Einsatz. Allerdings sind die Bauteile hier oft nur einige Quadratmillimeter groß. Für die akademische Forschung ist das ausreichend, für viele industrielle Anwendungen aber nicht und erst recht nicht, um künftig eine reale Alternative zur klassischen Linse zu werden. Forschende des Fraunhofer IOF aus Jena haben sich daher der Frage gewidmet, wie sich die innovativen Metaoberflächen in größerem Maßstab realisieren lassen. Im Ergebnis präsentieren sie nun erstmals eine Metaoberfläche mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern. »Wir sind nicht die Erfinder der Metaoberflächen«, hält Eilenberger fest. »Aber wir sind die Einzigen, die das auf einer so großen Skala zeigen können.«

Hochaufgelöste Strukturen mit hoher Präzision und Effizienz

Doch wie ist den Forschenden dieser Meilenstein gelungen? Die Antwort: Mithilfe der Elektronenstrahllithografie. »Für die Herstellung unserer Metaoberfläche haben wir eine spezielle Schreibstrategie der Elektronenstrahllithographie genutzt, die sogenannte Character-Projection«, erklärt Prof. Dr. Uwe Zeitner, Forscher am Fraunhofer IOF und Mitglied im wissenschaftlichen Direktorium des Institutes. Die Character-Projection ist eine Methode, bei der ein Muster in kleinere Einheiten aufgeteilt wird. Anschließend wird ein Elektronenstrahl verwendet, um jedes dieser kleinen Muster nacheinander auf einer Oberfläche zu erzeugen. Dies ermöglicht die Herstellung komplexer Strukturen mit hoher Präzision und Effizienz. »Mithilfe der Character-Projection lassen sich sehr hochaufgelöste Strukturen parallelisiert mit vergleichsweiser hoher Geschwindigkeit belichten. Das ist für die Elektronenstrahllithographie ungewöhnlich«, führt Zeitner weiter aus. Gemeinsam mit seinen Fraunhofer-Kollegen Dr. Michael Banasch und Dr. Marcus Trost hat Prof. Zeitner das Potenzial der Elektronenstrahllithografie für die Herstellung von Mikro- und Nano-Optik auf großen Flächen in einem Paper dargelegt, das nun im »Journal of Micro/Nanopatterning, Materials, and Metrology« veröffentlicht wurde.

Metaoberfläche mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern. Im Verglein ist eine Ein-Euro-Münze zu sehen.
© Fraunhofer IOF
Forschenden des Fraunhofer IOF ist es nun erstmals gelungen, eine Metaoberfläche mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern zu realisieren – hier im Vergleich mit einer Ein-Euro-Münze.

Mit ihrem Aufsatz zeigen die Autoren, dass herkömmliche lithografische Techniken für die Herstellung größerer Strukturen oft an ihre Grenzen stoßen. »Durch die kleinen Strukturdimensionen unterhalb der Wellenlänge eignet sich die hochauflösende Elektronenstrahllithographie grundsätzlich sehr gut für die Herstellung von Meta-Strukturen«, so der Forscher. »Allerdings ist diese Technologie relativ langsam, so dass bisher im Wesentlichen nur Elemente mit relativ kleinen Flächen damit realisiert wurden – vorrangig in der Größenordnung von wenigen Quadratmillimetern. Bei größeren Flächen erreicht die Belichtungszeit sehr schnell unrealistisch große Werte.« Durch den Einsatz der Character-Projection konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun sowohl die hohe Auflösung der Elektronenstrahllithographie als auch die große Elementfläche adressieren, ohne dass die Belichtungszeit »explodiert ist«, so Uwe Zeitner. Die Autoren des Papers zeigen damit, dass die Elektronenstrahllithographie ein Verfahren für die Herstellung von mikro- und nanooptischen Strukturen auf großen Flächen sein kann.

Reduktion der Baugröße bei gleichzeitiger Erhöhung der Funktionalität

 

Die neue Fertigungstechnologie kann dazu beitragen, optische Systeme künftig deutlich dünner zu bauen. »Diese Technologie kann abbildende optische Systeme revolutionieren«, sagt etwa Falk Eilenberger. »Denn damit wird es möglich, die Baugröße von Systemen zu reduzieren bei gleichzeitiger Steigerung ihrer optischen Funktionalität.« Uwe Zeitner ergänzt konkrete Anwendungsbeispiele: »Solche großen Metaoberflächen sind insbesondere für kompakte Optiken vorteilhaft, in denen auf kleinem Raum große Ablenkwinkel benötigt werden. Das ist zum Beispiel in Virtual-/Augmented-Reality-Brillen der Fall. Auch bei sehr kleinen Optiken im Smartphone lassen sich mit solchen Ansätzen vorteilhafte Bauformen realisieren.« Weitere Anwendungspotentiale liegen in der hochaufgelösten Spektroskopie oder in computergenerierten Hologrammen.

Zu sehen ist eine Art Rasteroberfläche mit unterschiedlich hohen Strukturen. Diese Strukturen wurden mit hoher Präzision und Effizienz mithilfe der Elektronenstrahllithographie realisiert.
© Fraunhofer IOF
Elektronenstrahlmikroskopische Aufnahme des Metagitters. Die optische Funktion ist durch Nanoresonatoren definiert. Die Einheitszelle des Gitters besteht aus einer lateralen Abfolge maßgeschneiderter Nanoresonatoren.

Präsentation auf der LASER World of Photonics

 

Die 30-Zentimeter-Metaoberfläche wird vom 27. bis 30. Juni 2023 erstmals öffentlich auf der LASER World of Photonics in München ausgestellt werden. Die Fraunhofer-Forschenden sind am Stand 415 in Halle A2 zu finden.