Neue Weltraumsysteme am Fraunhofer IOF

MERTIS - Ein Spektrometer zur Erforschung von Nachbarplaneten

Infrarotspektrometer »MERTIS«. Auf der sieben Jahre andauernden Mission »BepiColombo« sollen Geheimnisse des sonnennächsten Planeten Merkur gelüftet werden.
© Fraunhofer IOF
Optischer Aufbau des thermischen IR-Spektrometers MERTIS.

Am 20. Oktober 2018 machte sich die europäisch-japanische Raumsonde „BepiColombo“ vom Weltraumbahnhof Kourou auf den Weg in die unendlichen Weiten des Weltalls. Ihr Ziel: Der sonnennahe Planet Merkur. Bereits im Dezember 2025 soll BepiColombo die Merkur-Ziellaufbahn erreichen und dann zur Analyse der Planetenoberfläche eingesetzt werden.

Ausgestattet ist die Merkur-Sonde unter anderem mit dem am Fraunhofer IOF entwickelten Mercury Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer (MERTIS), das sein Können schon am 15. Oktober 2020 unter Beweis stellen konnte: Mit einer Entfernung von nur 10.720 km flog BepiColombo an der Venus vorbei und lieferte dank MERTIS Spektralaufnahmen, die Aufschluss über die Zusammensetzung sowie Struktur der Venusatmosphäre liefern.

MERTIS ist ein Verbundprojekt des Instituts für Planetologie (IfP) der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster und von zwei Instituten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof sowie einiger Industriepartner, darunter der OHB System AG. Die reflektive Infrarotoptik ist am Fraunhofer IOF entstanden. Insbesondere die enormen Temperaturschwankungen der Merkuroberfläche, von minus 170 bis 430 °C, stellten die Forschenden vor eine Herausforderung. Die Lösung: Mit Gold beschichtete sphärische und asphärische Metallspiegel sowie ein sphärisches Gitter, welche ein Höchstmaß an Stabilität und Formgenauigkeit aufweisen und den Belastungen der Weltraumbedingungen standhalten müssen.

Dafür wurden die Spiegel und Gitter mit Hilfe von Spezialmaschinen durch Ultrapräzisionsdrehen mit Diamantwerkzeigen gefertigt und entsprechend der Designvorgabe zur Baugruppe montiert. Die entstandene Spiegelbaugruppe hält höchsten Anforderungen in puncto Formgenauigkeit und Rauheit der Spiegelflächen stand. Darüber hinaus wurde sie hinsichtlich minimaler Deformationen, die durch dynamische und thermische Belastungen sowie Gravitation auftreten, optimiert. Mit einer langjährigen Expertise in der Fertigung hochpräziser Metallspiegelsysteme konnte das Fraunhofer IOF die Fertigung aus einer Hand garantieren – vom Design über die Spiegelherstellung, Beschichtung und Montage bis hin zur Systemoptimierung.

DESIS - Ein abbildendes Spektrometer zur Erdbeobachtung

Komplettes optisches System des Spektrometers.
© Fraunhofer IOF
Komplettes optisches System des Spektrometers.

Das »DLR Earth Sensing Imaging Spectrometer (DESIS)« ist ein neuartiges, hyperspektrales Instrument des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), das 2018 auf der MUSES (Multi-User-System for Earth Sensing)-Plattform der Internationalen Raumstation installiert werden soll. Das Instrument wird von der DLR entwickelt. Es soll Bilder der Erdoberfläche in 235 spektralen Kanälen im Wellenlängenbereich von 400 nm bis 1 μm mit einer Auflösung von 30 m liefern.

Im Rahmen der Entwicklung war das Fraunhofer IOF für den Entwurf und die Realisierung des gesamten optischen Systems verantwortlich. Das abbildende Spektrometer besteht aus zwei Hauptkomponenten, einem kompakten Drei-Spiegel-Teleskop (TMA), das die Erdoberfläche auf einen Spalt abbildet, und einem Offner-Spektrometer, das den Spalt auf den Detektor abbildet und dabei mittels eines Reflexionsgitters für die Trennung der spektralen Kanäle sorgt.

Metallspiegel für das DESIS-Instrument: Freiformspiegel für das Spektrometer (links) und Doppelspiegel für das Teleskop (rechts).
© Fraunhofer IOF
Metallspiegel für das DESIS-Instrument: Freiformspiegel für das Spektrometer (links) und Doppelspiegel für das Teleskop (rechts).

Durch die Verwendung von Freiformflächen im Spektrometer konnte eine hohe spektrale Auflösung selbst bei einer Lichtstärke von F/2.8 erreicht werden. Konventionelle Offner-Spektrometer können Abbildungsfehler nur für eine Wellenlänge korrigieren, wodurch sich die Abbildungsqualität an den Rändern des Spektralbereiches deutlich verschlechtert. Im Gegensatz dazu ermöglicht der Freiformspiegel eine hohe Abbildungsgüte über den gesamten Spektralbereich.

Das gesamte optische System wurde mittels Metallspiegeln realisiert. Die Spiegeloberflächen wurden durch Einkorn-Diamant-Bearbeitung und anschließender Nickelbeschichtung generiert. Die endgültige Form wurde durch Diamantbearbeitung, Oberflächenkorrektur mittels Magneto-Rheologischem Finishing (MRF) und Chemisch-Mechanischen Polierens (CMP) eingestellt. Die erreichte Oberflächenqualität der einzelnen Spiegel lag im Bereich von 5 nm bis 40 nm rms.

Eine weitere Schlüsselkomponente für das Spektrometer ist ein Beugungsgitter auf einer gekrümmten Spiegeloberfläche. Dieses wurde ebenfalls am Fraunhofer IOF entwickelt und gefertigt.

Die beiden Teilsysteme wurden separat integriert und unter interferometrischer Kontrolle justiert. Zum Schluss wurde das Gesamtsystem integriert und vermessen. Der verbleibende Wellenfrontfehler des Gesamtsystems liegt, je nach Position im Bildfeld, im Bereich von 60 nm bis 120 nm rms. Dieses Ergebnis ist in Übereinstimmung mit der für das Instrument geforderten Auflösung.

Abbildende Gitter für kompakte Spektrometeranwendungen

Konvex-gekrümmtes Gittersubstrat für die DESIS-Mission.
Konvex-gekrümmtes Gittersubstrat für die DESIS-Mission.

Die Verwendung von Gittern mit abbildender Funktionalität ermöglicht die Realisierung von kompakten aberrationsarmen Spektrometern für hochauflösende Anwendungen. Insbesondere rein reflektive Aufbauten nach dem Offner-Konzept erlauben einen weiten Spektralbereich und werden bevorzugt im Bereich Luft- und Raumfahrt eingesetzt.

Im Fraunhofer IOF wurden Diamantdrehen und direktschreibende Fotolithographie als Strukturierungstechnologien für hoch-effiziente Gitter im sichtbaren und nahen infraroten Spektralbereich auf konvexen Substraten qualifiziert. Im Rahmen der Entwicklung eines spektral auflösenden satelliten-gestützen Sensorsystems (DESIS - DLR Earth Sensing Imaging Spectrometer) entstanden binäre Gitter mit einer Periode von 13,35 μm und einer Tiefe von 137 nm auf der konvexen Oberfläche eines Aluminium/NiP Substrats mit einem Krümmungsradius von 121,8 mm.

Beugungseffizienzmessung in TE- und TM-Polarisation für eine Inzidenz von 25° bei λ = 532 nm.
Beugungseffizienzmessung in TE- und TM-Polarisation für eine Inzidenz von 25° bei λ = 532 nm.

Das lineare Gitter wird bei dem Zerspanverfahren mittels monokristalliner Diamantwerkzeuge in einem Off-Axis Drehprozess direkt in die Metalloberfläche eingeschnitten. Aufgrund der ultra-präzisen Bearbeitung ist kein Polierschritt auf der strukturierten Fläche erforderlich. Die röntgen-amorphe Oberfläche der NiP Schicht ermöglicht die Ausbildung extrem scharfer Gitterflanken, die zu einer sehr kontrastreichen Abbildung führen.

Beim lithographischen Strukturierungsverfahren als alternative Technologie wird zunächst die Oberfläche poliert und anschließend mit Fotolack beschichtet. Die Grautonlithographie-Anlage »HighFive« ermöglicht eine Datenzerlegung des Gittermusters der gekrümmten Oberfläche in Terrassen gemäß dem Bereich der Schärfentiefe des verwendeten Objektivs, sowie eine Nachführung des Fokus während der Belichtung entsprechend der mathematischen Funktion der Oberfläche. Das anschließend entwickelte Oberflächenprofil im Fotolack wird durch reaktives Plasmaionenätzen in das Substrat übertragen.

Als Beschichtung dient eine qualifizierte geschützte Silberschicht, die durch Magnetron-Sputtern auf das strukturierte Substrat aufgebracht wurde. Die Beugungseffizienz für die 1. Ordnung unter einer Inzidenz von 25° erreicht bei der Wellenlänge λ = 532 nm einen Wert von 36,5 % mit einem TE:TM-Verhältnis von 1:1. Die Aktivitäten werden innerhalb der vom Land Thüringen geförderten Forschergruppe »ADONiS« weitergeführt, um neuartige diffraktiv-optische Elemente auf nicht-planaren Substratoberflächen zu entwickeln und für weitere Anwendungsfelder zu erschließen.